Stefan Müller (CSU) war zwischen 2013 und 2017 parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, wobei seine Schwerpunkte bei der beruflichen Bildung, Schlüsseltechnologien und Innovationsstrategien lagen. In seiner CDU/CSU Bundestagsfraktion gilt Stefan Müller als Experte auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung. Seit 2017 ist er parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Zum fünften Mal in Folge holte Stefan Müller bei der Bundestagswahl 2017 mit 42,66 Prozent das Direktmandat für den Wahlkreis Erlangen, die Stadt mit den meisten Patentanmeldungen in ganz Europa. Außerdem ist er Kuratoriumsmitglied des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin.

Carlos Frischmuth (ADESW) und Michael Wowro (IT Freelancer Magazin) nahmen die drohende Altersvorsorgepflicht für Selbständige und die Digitalisierungsoffensive der neuen Bundesregierung zum Anlass, mit MdB Stefan Müller in den Dialog zu treten.

Michael Wowro: Den Verfassern der aktuellen Koalitionsvereinbarung scheint der Selbständige als ein ständig an der Armutsgrenze entlangschrammender Schutzbedürftiger vor Augen zu stehen, dem der Staat unbedingt mit einer verpflichtenden Altersvorsorge helfen müsse. Die jüngste Studie von Allensbach und dem DIW in Zusammenarbeit mit dem ADESW e.V. legt zumindest für IT Freelancer den Schluss nahe, dass diese sehr wohl für ihren Ruhestand vorsorgen können und es weithin auch tun. Wie hoch sehen Sie die Chancen, bei der drohenden Verpflichtung Ausnahmetatbestände für verantwortungsbewusste Selbständige zu schaffen? So könnte ein Stundensatz > gesetzlicher Mindestlohn * 5  ja als klare und eindeutige Schwelle fixiert werden, bei der anzunehmen ist, dass der Selbständige mit Geld umgehen kann und entsprechend auch für sein Alter besser selbst und frei vorsorgen kann. Bei einem solch eindeutigen Kriterium herrschte für alle wirtschaftlichen Akteure Planungssicherheit und die Sachbearbeiter bei der Deutschen Rentenversicherung, die Fahnder beim Zoll und die Gerichte würden entlastet. Auch müsste der Gesetzgeber nicht immer wieder nachbessern, da diese Schwelle automatisch mit dem gesetzlichen Mindestlohn mitwachsen würde.

Stefan Müller: Eine große Zahl an Selbständigen in Deutschland unterliegt keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Altersvorsorge. Uns ist bekannt, dass es unter diesen Personen ein sehr differenziertes Bild gibt. Neben denen, die ein hohes Einkommen erzielen und eine gute Altersvorsorge betreiben, gibt es aber auch Personen, die sehr geringe Einkünfte erzielen und im Alter sehr häufig auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Diese Personen haben wir mit den Verabredungen im Koalitionsvertrag im Blick. Unser Ziel ist es, für diese Personen eine Altersvorsorge oberhalb der Grundsicherung im Alter zu organisieren. Ausnahmetatbestände, wie Sie sie ansprechen, halte ich nicht mehr für notwendig. Selbständige, die nachweisen können, dass sie bereits anderweitig für das Alter vorsorgen, wird ermöglicht, aus der Altersvorsorgepflicht heraus zu optieren. Das haben wir klipp und klar im Koalitionsvertrag festgelegt.

Carlos Frischmuth: Bei Umstellungen von Systemen spielt ja auch immer der Bestands- und Vertrauensschutz eine wichtige Rolle. Wie könnte Ihrer Meinung nach sichergestellt werden, dass bei der Einführung einer Pflichtvorsorge für Selbständige nicht bereits bestehende und teils lange besparte Vorsorgemodelle schmerzlich aufgegeben werden müssen? Das wäre ja die bewusste Inkaufnahme von Vermögensschäden und damit eine gezielte Vernichtung von vorhandenem Vorsorgevermögen.

Stefan Müller: Wir werden mit großzügigen Vertrauensschutztatbeständen sicherstellen, dass Härten für die Betroffenen vermieden werden.

Carlos Frischmuth: Es ist ja kein Geheimnis, dass Deutschland bei vielen Kernthemen der Digitalisierung schon jetzt weit hinter anderen Nationen zurückliegt. Ein Einwanderungsland für qualifizierte Fachkräfte sind wir nicht, Kinder bekommen wir zu wenige und die Studienfächer Informatik, Wirtschaftsinformatik, Mathematik und Physik sind nicht so frequentiert wie Bedarf in der Wirtschaft vorhanden ist. Anders sind weit über 100.000 offene Stellen allein in der IT und dem Ingenieurwesen nicht zu erklären. Kann es sich eine Bundesregierung vor diesem Hintergrund überhaupt leisten, auf das Erwerbs- und Innovationspotenzial der freiberuflichen Spezialisten zu verzichten bzw. diese potenziell zu vergraulen?

Stefan Müller: Deutschland braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl. Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften fehlt. Dies gilt insgesamt, aber natürlich auch für den IT-Bereich, der für Sie verständlicherweise von besonderem Interesse ist. Bei der Frage, wie wir den Fachkräftebedarf egal in welcher Branche decken können, müssen wir aus meiner Sicht zweigleisig fahren. Einerseits müssen wir das heimische Fachkräftepotenzial stärken und ausschöpfen. Klar ist, dass wir auf eigene Spezialisten in keinem Bereich verzichten können. Andererseits müssen wir dort, wo uns das nicht gelingt, auf Fachkräfte aus dem Ausland setzen. Im Koalitionsvertrag haben wir für beide Bereiche ein umfassendes Maßnahmenbündel verankert. Ich freue mich darauf, dass wir jetzt eine neue Bundesregierung haben und uns an die Arbeit machen können.

Michael Wowro: Die CSU entsendet Ihre Kollegin Dorothee Bär als Staatsministerin für Digitales nach Berlin. Die CSU steht ja eher für konservative, also bewahrende Positionen. Wie geht das mit dem Zukunftsthema Digitalisierung zusammen?

Stefan Müller: Dorothee Bär ist eine ausgezeichnete Expertin für dieses wichtige, im Übrigen von uns bereits im Wahlkampf geforderte Amt. Die CSU steht für Tradition und Modernität und das schon seit Jahrzehnten. Ich erinnere an den berühmten Slogan von Edmund Stoiber „Laptop und Lederhose“, der dies sehr treffend auf den Punkt bringt. In der letzten Legislaturperiode haben der frühere Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zusammen mit der für digitale Fragen zuständigen Staatssekretärin Dorothee Bär nicht nur Milliarden in den Ausbau der Breitbandinfrastruktur investiert sondern auch die Weichen für die künftigen Herausforderungen gestellt, wie z. B. Big Data und autonomes Fahren. Die Digitalisierung ist das Zukunftsthema. Deshalb haben wir der Digitalisierung in unserem Koalitionsvertrag einen breiten Raum gegeben. Wir wollen unser Land in den nächsten Jahren an die Weltspitze im Bereich der digitalen Infrastruktur katapultieren. Wir werden eine Digitale Bildungsoffensive starten, die die gesamte Bildungskette in den Blick nimmt. Das sind nur zwei von vielen wichtigen Themen, die Dorothee Bär als Staatsministerin für Digitales weiter voranbringen wird.

Frischmuth & Wowro: Herr Müller, herzlichen Dank für dieses Interview!

Carlos Frischmuth, Vorstandsvorsitzender der ADESW e.V., der Allianz für selbständige Wissensarbeit. Dieser in Berlin ansässige Bundesverband vereint führende Dienstleister für den projektbasierten Einsatz hochqualifizierter selbständiger Wissensarbeiter. Im Jahresdurchschnitt besetzen die ADESW-Mitglieder gemeinsam mehr als 20.000 Projekte bei über 5.000 Unternehmen mit selbständigen Experten.

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Michael Wowro war von 2015 bis 2021 Herausgeber des IT Freelancer Magazins. Dieses Amt hat er zugunsten seines Unternehmens für 3D-Visualisierung von Messdaten else42 GmbH an Hays übergeben. Er freut sich auf eine Kontaktaufnahme via LinkedIn!

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